Ein Tag mit … Susanne Plänitz

Was machst du hier und seit wann?

Ich bin seit 1985 Souffleuse hier im Musiktheater und für alle Musiktheaterproduktionen zuständig. Davor war ich hier im Theaterkinderchor und der Statisterie seit 1973 im Theater tätig.

Wie bist du zum Theater gekommen und warum hat es dich nach Bielefeld verschlagen?

Über den Theaterkinderchor, der damals extra für das Musical »Der König und ich« gegründet wurde. Ich bin hier in Bielefeld geboren und aufgewachsen und dann gab es zwei Vorsingtermine für das Musical und das hatte meine Mutter in der Zeitung entdeckt, mich gefragt und dann bin ich mit meiner Oma zum Vorsingen gegangen. Tatsächlich war ich dann unter denen, die aufgenommen wurden und das war für mich ein großes Glück und öffnete eine wichtige Tür meines Lebens, weil die Größe im Theater kein Problem war. Im Gegenteil, eher ein Vorteil, weil ich später dann nicht mehr unter das Jugendarbeitsschutzgesetz fiel, aber die Größe eines Kindes hatte. So war der Chor für mich als Jugendliche super für mein Selbstbewusstsein, wobei meine ganze Familie mich auch sehr unterstützt hat. Danach wollte ich gerne weiter im Theater etwas machen, aber es gab zunächst keine Möglichkeit dazu nach der Schule. Aber dann wurde eine Souffleuse krank und ich habe aushilfsweise ihren Job übernommen, sogar für die ganze Produktion. Aber als die eigentliche Souffleuse wieder da war, konnte ich erst einmal nicht weitermachen. Allerdings ergab es sich nach einiger Zeit, dass genau diese Stelle frei wurde und mir wurde sie angeboten, was mich erst total überrascht und überwältigt hat. Daraufhin habe ich in Verona Italienischkurse belegt und hier an der Uni Sprecherziehung. Zusätzlich habe ich meiner damaligen Kollegin, die hier am Theater sehr angesehen war, in jeder freien Minute über die Schulter geguckt, um mir von ihr die Tricks und Kniffe zeigen zu lassen. Zum Beispiel die Kennzeichnung von Strichen, wie man richtig sitzt um Sänger und Klavierauszug im Blick zu haben und für den Sänger trotzdem gut sichtbar zu sein. Man muss auch Noten lesen können und sich mit dem Stück auseinandersetzen. Wenn es möglich ist, höre und souffliere ich zuhause mit der CD und lerne dabei auch die Musik. Auch Sprachen und Sprachgefühl sind von Nöten. Es ist auch ein Beruf, indem man immer wieder neue Anforderungen bekommt, flexibel bleibt und dazulernt.

Die Gründe, wieso ich hiergeblieben bin, sind vor allem die Liebe zu diesem Theater, und die Tatsache, dass ich mein ganzes soziales Umfeld hier habe. Es gab andere Theateranfragen und Möglichkeiten an ein großes Haus zu gehen, aber letztendlich habe ich mich doch für Bielefeld entschieden. Hinzu kommen zig Tausende Erinnerungen und viele Menschen, die man im Laufe der Zeit kennenlernt und leider auch oft wieder gehen lassen muss, was mir nach wie vor schwerfällt. Aber auch das gehört zum Theaterberuf dazu.

Wie sieht ein ganz »normaler« Tagesablauf aus? Gibt es feste Zeiten, Besonderheiten, Rituale, Aufgaben, die sich wiederholen?

Also, morgens und abends sind jeweils die Proben, beziehungsweise abends Vorstellungen. Ich bin bei allen Proben der Produktion meiner Stücke dabei, von der Konzeptionsprobe an. Ich richte mir meinen Klavierauszug ein, markiere mir die Rollen mit verschiedenen Farben, mache regelmäßig Sprecherziehungsübungen, um meine Artikulation weiter zu trainieren und deutlicher zu machen und bin in der Regel bei Umbesetzungsproben dabei, wenn Gäste kommen. Generell muss ich mich auf jedes Stück und jeden Sänger individuell einstellen. Das ist natürlich etwas sehr Reizvolles an diesem Beruf. Es gibt keine genaue Anleitung: »So bin ich eine gute Souffleuse«. Das hat viel mit Einfühlungsvermögen und Intuition zu tun. Das kann man haben oder nicht haben. Man kann viel lernen im Laufe der Zeit, aber ein Gespür muss Ausgangspunkt sein.

Gehst du auch »privat« ins Theater?

Ja! Es ist natürlich sehr eingeschränkt, weil die Proben zu meinen Stücken und z.B. die Schauspiel-Produktionen oft parallel laufen. Aber natürlich schaue ich mir gerne andere Produktionen an, oder gehe auch gerne in Konzerte.

Mein Beruf ist für mich …

Hobby und Job zugleich. Unter der Prämisse habe ich den Job angenommen, denn ich wollte ganz bewusst gerne Souffleuse werden, weil ich einen Sinn und eine Aufgabe darin sah und fand. Außerdem liebe ich Musik und bin auch noch nach all den Jahren Feuer und Flamme für diesen Beruf, finde ihn wichtig und hoffe, dass dieser noch lange erhalten bleibt.

»Freiheit« bedeutet für mich …

Sich einbringen können und eigenverantwortlich zu schauen, wie ich mit meinem Soufflieren hilfreich sein kann. Freiraum haben in dem, was man tut, aber auch Freiraum haben für Eigenes. Das ist echt schwer, dass so kurz zusammenzufassen (lacht).

Mein peinlichstes/emotionalstes Erlebnis auf der Bühne/bei der Arbeit …

Das war bei meiner allerersten Oper, die ich soufflierte. Ein sehr disziplinierter Sänger bat mich von Anfang an: »Auf der zweiten Seite das erste Wort, das brauche ich immer« Ich machte mir dann da ein Zeichen, wie ich es gelernt hatte und soufflierte es ihm immer. Bei einer Vorstellung kamen wir zu der besagten Arie. Ich habe geblättert, gab das erste Wort, der Sänger nahm es brav ab, aber sofort wurde mir und dem Sänger klar, dass es zwar das erste Wort war, aber die falsche Seite. Das Publikum hat wahrscheinlich gar nichts mitbekommen, aber für uns war es eine gefühlte Ewigkeit der Panik. Der Sänger kam danach zu mir, war sichtlich böse und sagte mir, dass ich doch dafür dasäße und vom Dirigenten hörte ich mir nochmal eine Predigt an. Seitdem prüfe ich bei jedem Umblättern, ob ich wirklich nur eine Seite geblättert habe und es ist auch nie wieder passiert. Aber das war sehr prägend!

Ich finde super, dass …

… es diesen Beruf hier am Theater noch gibt und nicht wie an manch anderen Theatern eingespart wurde. In Bielefeld wird die Notwendigkeit gesehen. Ich finde auch super, diesen Beruf machen zu dürfen, denn diese Erfahrung war in meinem Leben sehr prägend und sehr wichtig. Ich finde es super, dass es so Anfragen wie dieses Interview  gibt und sich immer mal wieder die Leute dafür interessieren. Und ich fände es super, wenn es diesen Beruf auch noch geben würde, wenn ich mal nicht mehr hier bin.

Mich nervt, dass …

… man ein Einzelkämpfer ist. Chor, Sänger, Orchester, das sind alles Gruppen, die für ihre Sache alle gemeinsam kämpfen können und Wünsche und Bedürfnisse als Gruppe Kund tun können. Aber als Souffleuse bist du Einzelkämpfer. Du musst selbst für deine Wünsche und Bedürfnisse eintreten und das ist manchmal schwierig.

Nach der Arbeit …

… lese ich gerne, aber das leider eingeschränkt, weil ich den ganzen Tag lese. Manchmal gehört auch Netflix zu meiner freien Zeit, um mich einfach mal von einer Serie berieseln zu lassen und ich bin gerne mit Freunden zusammen. Sofern die Zeit es erlaubt, auch an die frische Luft gehen und natürlich mampfen (lacht). Oberbegriff: Genießen, die freie Zeit genießen und leider auch gerne schlafen.

Ein Kommentar:

  1. Hallo!
    Ich finde es super, daß endlich mal ausführlich über Susanne Plänitz berichtet wurde. Man hat – auch durch den Film – endlich mehr über ihren Beruf erfahren und einen Einblick in ihre Tätigkeit erhalten. Als Aussenstehender kann man sich das alles gar nicht so richtig vorstellen. Ihre Tätigkeit sollte viel mehr Anerkennung erhalten! Die wenigsten können sich vorstellen, welchen Einsatzes es für diesen Beruf bedarf.
    Ich wünsche Susanne weiterhin viel Spaß an ihrem Beruf und viel Erfolg!

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