Häh? Wie haben die das denn gemacht?

Regieassistentin und Soufflage Sarah Pröllochs über 55 Vorstellungen Der gestiefelte Kater

Mittendrin, das bin ich immer. Beim Weihnachtsmärchen. Also gut. Nicht ganz mittendrin. Vorne in der ersten Reihe sitze ich. Was ich da mache, fragen mich die Kinder, die neben mir sitzen, immer, wenn ich mit meinem Textbuch und der Taschenlampe auftauche. Ich lese mit und helfe den Schauspielern. Falls sie mal den Text vergessen, sage ich dann. Das finden die meisten so interessant, dass sie auch mal in den Text gucken wollen. Sobald es jedoch dunkel wird, sind sie ganz gespannt, was da auf der Bühne so alles passiert.

Bei 55 Vorstellungen freue auch ich mich immer wieder auf die unerwarteten Momente. Das Neue, das man noch nicht kennt. Da hilft es, sich so eine Vorstellung mit den Augen eines Kindes anzuschauen. Denn deren Reaktionen sind noch ehrlich und ungefiltert, ohne Scham, was wohl der Rest des Publikums denkt.

Das reicht von kleinen Reaktionen wie einem sehr lauten »Boah!« oder »Wie cool!«, wenn sich die gedeckte Tafel des Königs auf einmal in zwei Hälften teilen lässt, über ein panisches »Vorsicht, der Herd brennt!«, wenn die Prinzessin versucht zu kochen, bis hin zu Unterhaltungen, die über den ganzen Zuschauerraum geführt werden, wie in der Szene, in der es Konfetti über Hans regnet:

Kind im Rang            Ooohhh, es schneit!
Kind im Parkett         Nee, es regnet!
HANS                         … Und zu regnen hört es auch nicht auf.
Kind im Parkett         Hab ich doch gesagt!

Wie Theater eigentlich funktioniert, wollen auch viele der kleinen Zuschauer wissen. Die Frage »Wie haben die das denn gemacht?« kam gleich an mehreren Stellen.

Hier nun für Euch die weiteren Highlights, die wir vom Team uns zwischen den Vorstellungen immer wieder erzählt haben:

KATER                     Und sehe ich durch Zufall doch / Ne Maus im Haus, vor ihrem Loch / Streck ich mich kurz und lass sie rennen / Werd darum nicht im Körbchen flennen.
Kind 1                      Dummer Kater!
Kind 2                      Aber du bist doch ein Menschenkater.

Diener Gustavs erste Ohnmacht und die darauffolgende Frage des Königs löste auch jedes Mal lautstarke Reaktionen aus.

KÖNIG                     Was soll das? Warum fällt er zu Boden?
Kind 1                      Er kann nicht alles gleichzeitig.
Kind 2                      Weiß ich doch nicht.
Kind 3                      Schauspieler gestorben.
Kind 4                      Es war zu viel für ihn!

Die gelangweilte Prinzessin kann sich auf Hilfe aus dem Publikum verlassen:

PRINZESSIN           Alle sind weg. Was soll ich denn jetzt tun den ganzen Tag?
Kind 1                      Tanzen!
Kind 2                      Geh doch mal nach draußen.

Auch Hans bekam gute Ratschläge. Als er überlegt, ob er nicht Erfinder oder Entdecker werden könne, ruft ein Kind: »WERD DOCH POLIZIST!«

Der König im Stück ist verrückt nach Rebhühnern. Und auch wenn dieses Kind nicht wusste, was ein Rebhuhn ist, so wusste es doch, wozu der Kater die Stiefel braucht. „DAMIT ER GLEICH DIE REEPER FANGEN KANN.“

Diener Gustav soll dem König ein Rebhuhn zubereiten. Ein Gummihuhn wird an einem Punktzug langsam heruntergefahren:

Kind 1                     Das ist ein echtes Huhn. Das hat mal gelebt.
GUSTAV                 Wie soll man aus einem gewöhnlichen Suppenhuhn ein Rebhuhn machen?
Kind 2                     Ich weiß es einfach nicht.

Ein Kind hatte in dieser Szene ganz besonders Mitleid mit Gustav, als die anderen Kinder anfangen zu lachen, ruft es: »DAS IST NICHT LUSTIG. DER IST GANZ ARM UND MUSS ALLES MACHEN.«

Der König wird häufiger zurecht gewiesen:

PRINZESSIN bockt und macht Hula-Hoop Bewegungen.
Kind 1                    Du bist verrückt!
Als der KÖNIG sie dann zum Spielen auf ihr Zimmer schickt, beschweren sich viele Kinder.
Kind 2                   Du bist sehr gemein, weißt du das eigentlich?
Kind 3                   Warum muss sie denn immer spielen?
Kind 4                   Sie ist kein Kind! Du bist ein Kind!

Oder:

KÖNIG (aus dem OFF) Gustav! Wo bleibt er?
GUSTAV                Jetzt nicht, mein König. Jetzt nicht.
KÖNIG                   Wie bitte?
Kind                       JETZT NICHT!

Das Publikum hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn: Als Gustav den König in der Rikscha über die Bühne zieht, ruft ein Kind entsetzt: »WIE DEMÜTIGEND!«

Einige Kinder erleben schwer Verständliches: Als der König den Kater mit einem »Au revoir« verabschiedet, meint ein Kind verdutzt: »SPRECHEN DIE ENGLISCH? WIE MACHEN DIE DAS DENN?«

Und auch beim Schlussapplaus mit allen Darstellern auf der Bühne bekomme ich noch eine Unterhaltung in der Reihe hinter mir mit.

Kind                    Wo ist denn der Zauberer?
Mutter                Der hat sich doch in eine Maus verwandelt und ist vom Kater gefressen worden.
Kind                   Aber Mama. Die haben doch nur so getan. Das sind doch Schauspieler.

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Die Zitate aus dem Stück folgen Thomas Freyers Adaption des Grimmschen Märchens Der gestiefelte Kater.

2 Kommentare:

  1. Klasse! Für mich der beste Blogeintrag bis jetzt!
    Gut, ich bin voreingenommen weil ich als Bühnentechniker fast jeden Kommentar aus dem Zuschauerraum auch selbst gehört habe. :-))))

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