Piccole Cose

So viele Dinge umgeben uns: belebte und unbelebte, ge- und verbrauchte, gesuchte, gefundene, begehrte, verabscheute. Sie bedeuten dem einen nichts und dem anderen alles. Sie formen unsere Umwelt und bewahren unsere Erinnerungen, sie schmücken oder verraten, unterstützen oder belasten, verbinden oder trennen uns – verdichtetes Leben, Fixpunkte im flüchtigen Lauf der Zeit.
Giacomo Puccini gilt als Meister der »piccole cose«, der kleinen Dinge. Ich nahm das beim Wort, bin durch die drei Einakter seines Il trittico gezogen und habe sie eingesammelt: bunte, glitzernde Schätze, Spuren der Geschichten, denen sie entstammen und die sich um sie weben. Vieles ist ganz konkret, materialisiert und greifbar; dazwischen blitzt das Andere, Ferne auf, das die Wirklichkeit beständig lockt und herausfordert. Die drei Sammlungen leuchten in so unterschiedlichen Farben wie die Werke, die Il trittico vereint, und sie erzählen doch alle gleichermaßen vom Alltag und den Sorgen, von den Träumen und Sehnsüchten ihrer Protagonisten. Ich möchte sie teilen, diese großen Kleinigkeiten.

I. Il tabarro

Pfeife. Schiffsraum. Wein. Verdammte Säcke. Gläser. Drehorgel. Das letzte Lied. Wie eine große Orange. Harfe. Schemel. Kahn. Tau. Steg.

Plunder. Rum. Ein nagelneuer Kamm. Federbusch. Spitze und Seide. Lumpen. Fläschchen. Merkwürdige Sachen. Seltsame Reliquien. Zeugnisse tausender Liebschaften. Tüte. Rinderherz. Der Kater. Hütte. Palast. Eisen. Kneipe. Peitsche. Brot. Ein Häuschen. Ein kleiner Garten. Vier Wände. Zwei Pinien. Pariser Luft. Bett und Herd. Das Zimmer, das ich früher hatte. Pflaster unter den Füßen. Schaufenster. Lichter. Feine Sachen. Kutschen.
Kabine. Lampen. Kette. Deine Arme. Planke. Leinenschuhe. Streichholz. Kleine Flamme in meiner Hand. Stern. Mund. Dein göttlicher Körper. Messer. Blutstropfen. Schmuckstücke.

Bett. Wiege. Abende wie dieser. Wind. Mantel. Schultern, blonde Köpfe. Lippen. Graue Haare. Andere Nächte. Andere Himmel. Andere Monde. Dieser Kahn. Wellen. Die Nacht ist schön! Kirche. Glocke. Eine rote, eine grüne und eine weiße Leuchte.
Rosenmund. Morgentau. Duftende Lippen. Duftender Abend. Mond. Trompete. Kaserne.
Hände. Kette. Pfeife. Steg. Messer. Mantel. Mein Mantel. Komm!

II.  Suor Angelica

Zypressen. Kreuz. Kräuter. Blumen. Kirche. Tür. Bogengänge. Spinnwerkzeug. Ärmel. Zwei rote Rosen. Zelle. Tür. Arkaden. Klausur. Grünes Laub. Goldener Brunnen. Vergoldetes Wasser. Eimer. Zum Grab.
Lämmchen. Kühle Nase. Etwas Gutes zu essen. Saftiges Obst. Blumen. Rosenbüsche. Wespen. Ein Kraut und eine Blume. Ringelblumen. Saft. Trank. Beladener Esel. Öl. Haselnüsse. Ein Korb Walnüsse. Salz und Brot. Mehl. Käse. Milch. Ein Beutel Linsen. Eier. Butter. Rote Johannisbeeren.
Prächtige Kutsche. Die Glocke des Sprechzimmers. Wappen. Elfenbein. Türkisblaue Seide. Silber. Weiße Täubchen. Lavendelsamen. Brunnen. Eimer. Wasser. Friedhof.
Schlüssel. Tür. Elfenbeinstock. Das ganze Vermögen. Urkunde. Heiliger Ort. Unser reines Wappen. Kapelle. Heiligenbild. Öllampe. Tisch. Tablett. Tintenfass, Feder. Urkunde. Tür. Stock. Lampe. Lichter. Gräber.

Deine Lippen. Meine Küsse. Schöne Augen. Händchen zum Kreuz. Engel. Himmel. Firmament. Funkeln. Stern.
Tonschüssel. Steine. Herd. Zweige. Äste. Bündel. Brunnen. Wasser. Feuer. Kräuter und Blumen. Gift. Kirche. Himmel. Kreuz. Zypresse. Wolken. Mond. Der Knabe, Licht.

III.  Gianni Schicchi

Schrein. Bett. Stühle. Truhen. Tisch. Rock. Silberner Teller. Silbernes Stilett. Silberne Schere. Tasche. Schubladen. Schränke. Pergamente und Papiere. Testament. Schnur. Volle Taschen. Zwei Popolini. Süßigkeiten. Kerzen. Leuchter. Das Haus? Die Mühlen. Der Maulesel. All die schönen Gulden. Kutten der Mönche. Wein. Gürtel. Futter. Vorratskammern. Früchte. Drosseln. Wachteln. Lerchen. Rohrspatzen. Fette Gänse. Hühner. Hähnchen. Echte Tränen.
Kluge Augen. Komisches Gesicht. Große Nase. Florenz, blühender Baum. Täler, Paläste, Türme. Erbe. Mitgift. Ring. Balkönchen, Vögelchen, Körnchen.
Leuchter. Bettvorhänge. Rot eingehülltes Bündel. Tür. Fensterläden. Benefizium. Silberteller. Bargeld. Das Landgut in Fucecchio. Das bei Figline. Das bei Prato. Die Ländereien bei Empoli. Die bei Quintole. Der Maulesel, das Haus und die Mühlen. Totenglocke. Balkon, Vögelchen, Körnchen. Verkleidung. Truhe. Nachtmütze. 30 Gulden. 100 Gulden. Haufenweise Gulden. Tuch. Taschen voller Gulden. Nachthemd. 1000 Gulden. Leb wohl, Florenz.

Kästchen. Pergamente. Stempel. Tisch. Sessel. Testament. Ein paar Heller. Zwei Gulden. Fünf Lire. Bargeld. Güter von Fucecchio. Landgut von Figline. Felder von Prato. Güter von Empoli. Güter in Quintole. Der Maulesel, das Haus, die Mühlen. 20 Gulden. 100 Gulden. Stock. Mein Haus. Leinen, Silber. Leinen. Silber. MEIN HAUS.

Fenster. Sonnenlicht. Erster Kuss. Dein Gesicht. Paradies.
Hölle.

Zusammengetragen aus Giacomo Puccinis Il trittico (Premiere am 29.4.2016 im Stadttheater Bielefeld) von Kathrin Popp (Dramaturgie-Hospitantin // Extrachor)