TANZgala

18 Jahre Tanztheater und zeitgenössischer Tanz am Theater Bielefeld
Ein Rückblick von Michael Heicks

Als meine Intendanz am Theater Bielefeld begann, barg die Leitung unserer Kompanie große Chancen: Ein Umbau ermöglichte die Kreation von einem großen Tanzstudio und die zehnköpfige Kompanie war für meine Begriffe der perfekte Ausgangspunkt für die Entwicklung eines modernen Ensembles. Ich war schon immer vom Tanztheater und insbesondere von der Arbeit Pina Bauschs fasziniert gewesen. Eine ähnliche Tanzsprache, die von uns erzählt und ein Spiegel unserer Gesellschaft ist, wollte ich unbedingt in unserem Haus haben.
Und so besuchte ich eine Vorstellung am Osnabrücker Theater, wo dort der Choreograf Gregor Zöllig das Ensemble leitete. Ich war auf Anhieb von seiner Arbeit begeistert. Ich lud ihn kurz darauf ein, nach Bielefeld zu kommen, wir unterhielten uns lange über die künstlerische Ausrichtung der Sparte und wurden uns bald über die Eckdaten einig: Ein Ensemble, geleitet von Gregor Zöllig, das sich ausschließlich auf das Tanztheater, den zeitgenössischen Tanz und die Entwicklung von Vermittlungsformaten konzentriert.

Beim ersten festlichen Auftakt in der Spielzeit 2005/06 waren wir beide furchtbar aufgeregt. Zum ersten Mal zeigten wir dem Bielefelder Publikum einen neuen choreografischen Stil – zehn Jahre lang hatten sie klassisches Ballett erlebt. Es war gewagt und ungewöhnlich. Wir zitterten regelrecht in unseren Sitzen, unsicher darüber, wie unsere Zuschauer*innen den neuen Direktoren aufnehmen würden. Es wurde jedoch zu einem großen Erfolg und genau da begann eine Liebesgeschichte zwischen dem Publikum und dem Ensemble unter der Leitung von Gregor.

Ensemble in »Struwwelpeter« (UA 09.02.08 im Stadttheater Bielefeld) © Ursula Kaufmann


2015 der Abschied: Gregor wurde zum Chefchoreografen und künstlerischen Leiter am Braunschweiger Staatstheater berufen. Es galt, einen Nachfolger zu finden, der der nun etablierten zeitgenössischen Tanzsparte neue Impulse setzen würde. Bald stießen wir auf den Italiener Simone Sandroni, dessen choreografische Arbeit mit seiner Kompanie Déjà-Donné international gefeiert wurde. Er war unser Mann! Sein Tanzstil unterschied sich von dem Gregors, insofern, dass er auf eine abstraktere Weise Geschichten erzählte. Sein Tanzstil war schnell, kraftvoll und athletisch. Seine erste Uraufführung Geschichten, Die Ich Nie Erzählte war der Auftakt von sieben fulminanten Jahren.
Unter seiner Leitung durfte das Ensemble vielfältige Kreationen präsentieren. Die Tradition des Tanztheaters, die wir 2005 angestoßen hatten, blieb auch mit Repertoirestücken von Choreograf*innen wie Gerhard Bohner aufrechterhalten. Daneben entstanden auch tolle Uraufführungen, aus den letzten Spielzeiten möchte ich das Stück PULS hervorheben: ein ungemein bombastisches Tanzerlebnis mit drei Gitarristen, welches das Haus zum Beben brachte. Die Offenheit von Simone gegenüber den anderen Sparten war für uns eine große Bereicherung. Er war bei vielen Premieren des Hauses dabei – nicht nur seinen eigenen.

Ines Carijò und Tiemen Stemerding, Johanna Wernmo und Jacob Gómez Ruiz. Titel: Noriko Nishidate, Alexandra Blondeau, Tommaso Balbo, Youngjun Shin, Becht Bovijn, Elvira Zúñiga Porras in »Romeo und Julia« (UA 20.10.2017 im Stadttheater Bielefeld) © Joseph Ruben

Gianni Cuccaro und Kerstin Tölle machten in dieser Zeit die Community-Projekte unter dem Namen Schrittmacher stark. Sie entwickelten nicht nur spannende Produktionen, sondern kreierten eine treue Fangemeinde für unsere Tanzsparte, deren Unterstützung uns bis heute sehr wichtig ist.

In der Spielzeit 2022/23 übernahm dann ein Team bestehend aus Gianni Cuccaro, Sarah Deltenre, Alban Pinet und Kerstin Tölle übergangsweise die Leitung der Kompanie. Für mich war diese Spielzeit was ganz Besonderes: Gregor Zöllig kam nach sieben Jahren mit der Winterreise nach Bielefeld zurück. Auch Lali Ayguadé und Sharon Fridman, deren Arbeit ich schon 2017 und 2018 mit Begeisterung auf unseren Bühnen erlebt hatte. Wir schlossen zudem die Reihe »D3 – Dance Dicovers Digital« mit Stephanie Thierschs Land im Land ab. Außerdem beteiligten sich unsere Tänzer*innen an der Produktion Moby Dick und durften so die spartenübergreife Arbeit, die für unser Haus so wichtig ist, am eigenen Leibe erfahren.

Ensemble in »Die Stille in mir« (UA 25.03.2023 im Stadttheater Bielefeld) © Jubal Battisti

Nun blicken wir in die Zukunft. Die Doppelintendanz mit Nadja Loschky verlangt nach neuen Impulsen und wir freuen uns sehr, den international renommierten Choreografen Felix Landerer an unser Haus holen zu dürfen. Wir sind gespannt darauf, wie sich die Sparte unter seiner Leitung weiterentwickeln wird. Fest steht jedoch, dass das Tanzensemble am Theater Bielefeld auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird.
Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass zeitgenössischer Tanz und Tanztheater in Bielefeld eine große Bedeutung haben und dass sie sowohl das Publikum als auch die Künstler*innen inspirieren und berühren werden.

 

Über die Menüleiste kommt ihr unter »Tanzgala« auf zwei Seiten zu den Einblicken in das Tanztheater jeweils unter Gregor Zöllig und unter Simone Sandroni.