Ihr wisst nicht, wie man den Mango tanzt? Dann empfehlen wir eine Unterrichtsstunde bei Piotr und Ugo, die im TAMdrei zeigen, was den inbrünstigen Tanz aus dem Lande TUT ausmacht. Ja, im TAMdrei wird es leidenschaftlich, denn die beiden Herren aus diesem wunderbaren Land im Osten, schwärmen für ihre Heimat und deren Bräuche und gewähren nebenbei gleichzeitig einen Blick hinter die Kulissen einer (Tanz-)Theaterproduktion. Piotr Splendowsky ist nämlich mit einem opulenten Bühnenwerk für 40 Sänger, Schauspieler, Musiker und Tänzer auf Tour und wartet jetzt zusammen mit Ugo auf den Bus mit dem Bühnenensemble. Doch im Stück Piotr und die Stars von TUT geht es vor allem um TUT und nicht um TUTUs, was ja eigentlich zu erwarten ist, wenn der Chef von TANZ Bielefeld ein Stück inszeniert und choreografiert. Daher war ich auch eher auf jede Menge Tanz gefasst und nicht auf jede Menge Text.
Aber von vorn: Das TAMdrei ist klein und intim und dementsprechend nah rücken die Schauspielerin/Tänzer dem Publikum. Als Piotr die Zuschauer fragt, wer denn Englisch spricht, steigt die Angst in uns hoch, dass wir in einer Art Mitmachstück gelandet sind und im schlimmsten Fall auf die Bühne geholt werden. Aber nein – Glück gehabt – es trifft eine andere, sehr hübsche junge Frau, die als Übersetzerin auf die Bretter gezerrt wird. Damit beginnt ein rasantes Sprachverwirrspiel, in dessen Verlauf Innereien, Arnika, Pankreas und eine Krokodilhandtasche aus Gütersloh eine Rolle spielen. Überhaupt die Sprache: Das in rasender Geschwindigkeit gesprochene TUTsche Idiom scheint beim ersten Hören ein wenig Ähnlichkeit mit dem Italienischen zu haben, aber nein… vielleicht ist die harte Aussprache doch dem Russischen ähnlicher? Letztendlich ist es völlig egal, woher die Sprache kommt, wenn sie so wunderbare Sätze enthält wie: »der Wind, den der Schmetterling mit seinen Flügeln macht«. Doch immer noch fehlt mir der Tanz. Kaum denken wir, dass es nun wirklich endlich Zeit dafür wird, legen Piotr und Ugo einen Mango aufs Parkett, dass es eine wahre Freude ist. Und so geht es weiter, im schnellen Wechsel zwischen Streitgesprächen, Tanz, Gesang und Slapstickeinlagen. Im übrigen ist es ausdrücklich erlaubt, zu applaudieren – und es war uns tatsächlich ein echtes Bedürfnis, mit unserem Applaus sofort auf die Akteure zu reagieren.
Pietro Micci als Piotr Splendowsky gibt einen Produzenten mit Leib und Seele, Simone Sandroni fegt wie ein Derwisch über die Bühne und kann unglaublich schnell sprechen. Für die TänzerInnen des Ensembles ist es sicherlich ein besonderes Erlebnis, ihren Chef mal in einer ganz anderen Rolle zu sehen.
Jetzt freuen wir uns auf die nächsten Stücke, die wir als professionelle Zuschauerinnen sehen dürfen. Professionelle Zuschauerinnen? Ja, es gibt seit dieser Spielzeit eine kleine Gruppe professioneller ZuschauerInnen, denen die Möglichkeit eröffnet wird, die Stücke von TANZ Bielefeld bereits während der Proben zu sehen oder auch die Arbeitsabläufe des PHASE-Projektes zu beobachten und zu begleiten. So bekommt man einen ganz anderen Blick auf die jeweiligen Stücke und lernt eine Menge über Tanz und unterschiedliche Inszenierungen. Was wir bei Piotr und die Stars von TUT gelernt haben: Tanztheater muss nicht immer bierernst daherkommen.
Von Sybille Hilgert und Elvira Bierbach // Foto von Céline Karow