Sarah Deltenre gehört seit gut zwei Jahren unter anderem als Trainingsleiterin zu TANZ Bielefeld dazu.
Was machst du hier und seit wann?
Ich bin Trainingsleiterin und choreografische Mitarbeiterin und seit 2,5 Jahren hier. Momentan ist das meine dritte Spielzeit.
Wie bist du zum Theater gekommen und warum hat es dich nach Bielefeld verschlagen?
Das ist eine lange Geschichte. Als ich klein war, habe ich wie jedes kleine Mädchen mit fünf Jahren angefangen zu tanzen. Mit 12 Jahren habe ich mir dann überlegt, Tänzerin zu werden, was meine Eltern sehr überrascht hat. Nach meinem Studium in Brüssel habe ich einfach meinen Rucksack genommen und bin auf die Suche nach einem Job losgezogen. 52 Vortanzen später hat mich der letzte Choreograf dann engagiert. Eigentlich wollte ich schon zurück nach Brüssel und weiter zur Uni gehen.
Ich habe dann lange, inzwischen fast 20 Jahre in Deutschland, in Österreich, in Holland und ein bisschen in Belgien unter sehr vielen verschiedenen Choreografen getanzt. Irgendwann wollte ich eine neue Herausforderung annehmen und mein damaliger Chefchoreograf hat mir den Vorschlag gemacht, seine Assistentin zu werden. So bin ich langsam in diese Spur gekommen. Nach den schönen Erfahrungen beim Landestheater Linz und der Oper Graz habe ich mich ganz einfach hier beim Theater Bielefeld beworben. Es gab eine Stellenanzeige und die haben sich ziemlich viel Zeit genommen, bis sie sich bei mir gemeldet haben (lacht). Ich habe dann erstmal zwei Tage Unterricht gegeben, sehr viel mit Simone (Anm. d. R.: Simone Sandroni, künstlerische Leitung und Chefchoreograf TANZ Bielefeld) gesprochen und als mein letzter Tag war, sagte er, dass er sich was überlegen wird. Ich habe ihn gewarnt nicht zu lange zu überlegen (lacht). So bin ich erstmal zurück nach Österreich, weil meine Familie damals dort gewohnt hat, aber auf dem Weg dahin hat schon mein Telefon geklingelt und Simone hat gesagt, er würde sehr gerne mit mir arbeiten. Er hat also wirklich nicht lange überlegt und ich habe mich sehr gefreut!
Die ganze Familie ist dann mit mir nach Bielefeld gekommen und jetzt sind wir hier und wir sind glücklich!
Wie sieht ein ganz »normaler« Tagesablauf aus? Gibt es feste Zeiten, Besonderheiten, Rituale, Aufgaben, die sich wiederholen?
Es gibt keinen normalen Tag bei uns (lacht). Ich komme zwischen halb 9 und 9 ins Theater und checke erst einmal alle Mails. Danach bereite ich das Training vor und spreche mit Simone ab, was am Tag ansteht. Nach dem Training haben wir eine Probe, ca. bis 17:30 Uhr. Am Ende der Produktionen, also rund zwei Wochen vor der Premiere, arbeiten wir vormittags und abends noch daran. Dann gibt es zusätzlich noch die Beleuchtungsproben und viele Gespräche mit Bühnenbildnern, Technikern, der Verwaltung … Es gibt jeden Tag eine neue Überraschung. Meine Funktion ist es, für die Tänzer, die Künstler der Produktion (Bühnenbildner usw.) und den Choreografen da zu sein. Ich bin aber auch die Verbindung zwischen Tänzer und Choreograf, zwischen Technik und Choreograf, dem Team der Produktion und den verschiedenen Abteilungen des Theaters. Ich muss sehr viel außerhalb des Tanzsaals organisieren, um sicher zu sein, dass alles fertig und vorbereitet da ist, wenn wir auf die Bühne kommen. Der Boden, das Bühnenbild , die Kostüme und, und, und. Für mich gibt es also nicht nur das Training und die Assistenz für Simone – während der Probe und der Entwicklung – es gibt viel mehr.
Gehst du auch »privat« ins Theater?
Viel zu wenig. Manchmal freue ich mich, vor allem sonntags, auch zuhause zu bleiben bei meiner Familie. Ich habe zwei Kinder und einen Mann. Ich wünsche mir manchmal, dass ich mehr ins Theater gehe. Aber wenn ich einen 10- bis 12-Stunden-Tag im Theater habe, dann freue ich mich auch darauf, nichts zu haben. Es ist schade, aber es ist so. Ich glaube das geht vielen so.
Erinnerst du dich an das, was du dir als letztes angesehen hast?
Ich habe gestern »Die Möglichkeit« gesehen! Als vorletztes habe ich das Weihnachtsmärchen gesehen. Also manchmal komme ich doch ins Theater (lacht).
Mein Beruf ist für mich …
… mein Traum. Und die Träume der anderen wahr werden zu lassen.
Freiheit bedeutet für mich…
… in glücklichen Momenten zu vergessen, dass die Zeit existiert.
Mein peinlichstes oder emotionalstes Erlebnis bei der Arbeit …
Es gibt nichts Peinliches (lacht).
Mein allergrößtes emotionalstes Erlebnis war, als ich in Österreich auf der Bühne als Assistentin gearbeitet habe. Unser Chefchoreograph ist leider nach langer Krankheit gestorben. Zwei Tage später hatten wir eine Vorstellung. Ich musste dann für alle entscheiden, ob wir trotzdem tanzen oder nicht. Also habe ich mich gefragt, was er sagen würde und er hätte sicherlich gesagt: »Macht weiter, tretet auf!« Vor der Vorstellung musste ich dann auf die Bühne und dem Publikum die Nachricht überbringen. Das war sehr emotional und sehr stark für mich. Sowas möchte ich nie wieder machen.
Als Tänzerin, aber auch als Assistentin ist es immer ein höchst emotionaler Moment, wenn das Stück fertig ist, der Vorhang am Tag der Premiere zum ersten Mal aufgeht und die Tänzer das Stück zum allerersten Mal tanzen – dann gehört uns das Stück nicht mehr als Team, sondern es gehört den Tänzern. Ich würde es vergleichen mit der Geburt eines Kindes, wie ein Geschenk, dass sie machen an die Zuschauer. Das ist für mich auch sehr emotional.
Ich finde super wenn …
… ich die Entwicklung mitbekomme. Zum Beispiel die Entwicklung der Emotionen der Menschen, die ich liebe und mag. Oder die der Tänzer. Oder die Entwicklung eines Stückes in eine künstlerische Fassung. Es gibt noch viel mehr Form von Entwicklung, im privaten – als auch im Arbeitsleben.
Mich nervt …
… Ungerechtigkeit und Egoismus. Das kann ich gar nicht leiden.
Nach der Arbeit …
… gehe ich Heim zu meiner Familie und da erwartet mich mein zweites Leben: Hausaufgaben mit den Kindern und einfach mit meiner Familie zusammen sein. Die Zeit läuft sowieso sehr schnell am Abend. Deswegen genieße ich mein einfaches Leben.