Gesellschaftstheater

Über den Jugendclub zu sprechen, das ist schwierig. Da sich dieser jedes Jahr neu zusammensetzt, Leute gehen, Leute kommen, lässt sich kaum etwas Allgemeingültiges über die Jugendclubs sagen. Vielmehr möchte ich über meine Erfahrungen und den diesjährigen Jugendclub reden.

Ich bin seit etwa fünf Jahren im Theater Bielefeld aktiv. Vor vier Jahren bin ich das erste Mal im Jugendclub gewesen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Jugendclub eine Gruppe junger Theaterliebhaber ist, die aus Leuten zwischen 16 und 26 besteht, und jedes Jahr zusammen auf den Probebühnen des Theaters improvisiert, Dramen liest und insbesondere redet. Nachdem man sich über einen Stoff einig ist, versucht man diesen auf die Bühne zu bringen. Natürlich lernt man in dieser Zeit Menschen kennen, die nicht nur interessant, sondern auch besonders sind. Martina Breinlinger, die Leiterin dieser Gruppe, kenne ich nun schon viele Jahre und sie ist mir fest ans Herz gewachsen. Jedes Jahr lerne ich Menschen kennen und es ist für mich ein unglaubliches Glück, sagen zu können, dass ich aus jedem Jahr Freunde gewonnen habe, die mir bis zum heutigen Tage treu zur Seite stehen. Dieser Jugendclub war für mich trotzdem etwas Außergewöhnliches. Die Gruppe ist in der Zeit bis zu unseren Aufführungen so eng zusammengewachsen, dass ich mit Fug und Recht behaupten kann, dass sie wie eine Familie für mich ist. Jeder hat etwas an sich, ohne das unser Stück niemals so geworden wäre, wie wir es auf die Bühne gebracht haben. In den letzten Monaten haben wir zusammen gelacht, geweint, sind uns vertraut geworden.

Das Drama Rechtes Denken von Konstantin Küspert, welches wir dieses Jahr gespielt haben, war eine Herausforderung. Es ist sehr jung, setzt sich mit einem aktuellen und kontrovers diskutierten Thema auseinander und hat somit auch Streit in unsere Arbeit gebracht. Die Auseinandersetzungen haben sicherlich alle stark geprägt, vielleicht deren Meinung verändert oder bekräftigt.

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Dass man über die Themen Nationalismus und Patriotismus, Rassismus und Extremismus unterschiedlicher Meinung sein kann, sollte klar sein. Für die einen war der Stolz auf ihr Heimatland etwas Normales, etwas, das nicht grundsätzlich schlecht ist, und für andere galt genau dies als Grundlage für viele aktuelle Konflikte. Wir haben uns jedoch, und das verdanken wir der relativen Neutralität des Stoffes, einigen können und eine Linie festgelegt, die Meinungsvielfalt zulässt.

Die letzten Wochen, gerade der Beginn unserer Endproben, hat uns auf eine harte Probe gestellt. Da jeder von uns neben dem Jugendclub auch noch Schule, Uni oder Arbeit unterkriegen musste und die gemeinsamen Proben anstrengend sein können, kam es natürlich ab und zu zum Streit. Wir haben gestritten, wir haben laut gestritten, geweint und wir haben uns vertragen. Vielleicht ist gerade das einer der Gründe, wieso wir so eng miteinander verbunden sind. Private Probleme und Bedenken haben im Jugendclub immer mindestens ein offenes Ohr gefunden. Wir sind Freunde geworden, wollten uns gegenseitig helfen, waren für einander da. Das Vertrauen, das mit jedem Tag gewachsen ist, die Zeit, die wir miteinander außerhalb des Theaters verbracht haben, ob wir nun am Wochenende zusammen ausgegangen sind oder bei jemandem zu Hause stundenlang geredet haben, das waren für mich mit die schönsten Momente dieses Jahres.

Offen emotional zu reagieren, offen über Gedanken und Gefühle zu sprechen, das ist etwas, was mir wichtig ist. Ich bin dankbar für die Gelegenheit mit einer Gruppe Menschen genau dies erlebt zu haben. Und nicht nur dafür bin ich dankbar. Wir haben mit Martina und mit vielen anderen Menschen gearbeitet. Wir haben gelernt. Gerade die Schauspieler Guido Schikore und Omar El Saedi, die Praktikantinnen und Praktikanten und die anderen Menschen hinter der Bühne haben uns vieles beigebracht. Sie haben mit uns über Theater und Schauspiel gesprochen und waren mit viel Herzblut und Zeit involviert.

Es erfüllt mich mit Glück, eine solch wundervolle Zeit erlebt zu haben. Und wenn ich eines für die nächste Zeit mitnehme, dann die Überzeugung, dass ich nächste Spielzeit wieder teilhaben möchte am Jugendclub, da diese Zeit mich von Tag zu Tag zu einem besseren Menschen gemacht hat.

Geschrieben von Ioannis Dimopulos