Herr A und Frau B auf dem Weg ins Klassenzimmer … Teil 2

… Wie entsteht eine mobile Kinderproduktion?

Endlich – nach Wochen, Monate langer Schreibarbeit – die langersehnte erste szenische Probe! Auf der Probebühne IV begegnen sich gleich die Figuren Herr A (Evgueniy Alexiev) und Frau B (Nohad Becker), zuerst wird aber nochmal gelesen, anschließend ausführlich über jeden Satz diskutiert, was für eine Handlung er auslöst, was er beim Partner bewirkt und wie der Satz oder die Handlung den Partner verändert.

Für den Anfang des Stückes nehmen wir uns ausreichend Zeit, weil hier die Figuren integriert und die Spielsituation eingeführt werden, auch lässt dieser noch Ruhe und Pausen zu, hat das Stück einmal Fahrt aufgenommen, bremst so etwas aus und es wird schnell langweilig. Beim Erarbeiten von Kinderstücken können wir wieder ganz Kind sein, dies dient in erster Linie natürlich nicht (nur) dem eigenen Spaßfaktor, sondern es hilft uns, uns in die Kinder hinein zu versetzen. Letzteres ist eigentlich unverzichtbar, da ich nur so nachvollziehen kann, wie und was ein Kind versteht, was es witzig findet und wie die verschiedenen Situationen wirken.

Haben wir uns erst mal warm gespielt, hat das schnell zur Folge, dass eine Szene überladen ist von komischen Aktionen, manchmal von so vielen, dass man sie eigentlich gar nicht mehr im Einzelnen nachvollziehen kann. Zum Beispiel war die Szene, in der die beiden Figuren Herr A und Frau B aufeinander treffen bei einer Probe so mit Gags und Aktionen überfrachtet, dass die Handlung kaum noch nachvollziehbar war und die Darsteller auch nicht mehr die Chance hatten, ihre Aktionen auszuspielen. Dann heißt es »kill your darlings«, bedeutet, man schmeißt zum Leidwesen des Einzelnen etwas raus, das vielleicht sein persönlicher Lieblingsgag war.

Nach den ersten szenischen Proben machen wir Termine für die Anproben in der Schneiderei. Die von mir gezeichneten Figurinen sollen nur eine Idee, eine Richtung für das spätere Kostüm geben. So wie eine Figur das Kostüm bestimmt, kann auch ein Kostüm den Charakter der Figur beeinflussen, daher gehen wir offen in die jeweiligen Anproben und lassen uns weiter inspirieren; so können neu dazu gewonnene Kostümteile noch den Charakter der Figur beeinflussen. Zum Beispiel bekommt Frau B noch einen grünen Hut, der ihr ein selbstbewussteres Auftreten verleiht.

Mittlerweile stehen die ersten Szenen – es ist Zeit, unseren dritten Darsteller dazu zu holen. Die erste Probe mit unserem Pianisten Eberhard Schneider bringt uns wieder zurück an den Tisch, auch mit ihm lesen wir noch mal, dieses Mal aber gleich bis zum Schluss, zwei von drei sind ja schon tiefer in das Stück eingetaucht, da kann man jetzt auch größere Schritte machen. Bei der szenischen Umsetzung geht es dann aber wieder Stück für Stück voran, trotzdem geht es nun schneller, wir haben ein Gespür dafür entwickelt, wann wir einen Witz setzen müssen und wann es eher um eine Informationsweitergabe geht. Immer wieder sprechen wir über die Entwicklung der Figuren, also wann steigert sich Frau Bs Selbstbewusstsein und wann verliert Herr A seine Arroganz und in wie vielen Stufen vollziehen sich diese Wandlungen. Das richtige Timing für die Szenen und vor allem für die Gags zu finden bereitet uns noch leichte Schwierigkeiten. Und wir merken mal wieder, wie anspruchsvoll eine Komödie sein kann, alles muss auf die Sekunde genau sein, sonst hat es keine Wirkung oder Humor.

Nichtsdestotrotz es ist nun soweit, das Stück soll getestet werden, dafür wird der Kinderchor des Theaters eingeladen, damit es noch bunter wird, dürfen auch Eltern und Geschwister mit. Dieses gemischte Publikum soll dem Team zeigen, was schon funktioniert und wo es noch hakt. Wo wird gelacht und wo nicht, wo machen die Kinder mit, bleiben sie bis zum Ende konzentriert und vor allem, versteht man, was da gespielt wird? Im Allgemeinen läuft die Probe gut, die Kinder lachen, auch die Erwachsenen scheinen ihren Spaß zu haben und am Schluss wird schön zusammen musiziert. Am Ende sollen die Kinder uns Kritik geben. Nach anfänglichen »Mir hat’s gefallen«, »Ich fand es witzig« oder »Ich fand’s gut«, trauen sich die Ersten, auch zu verraten, was ihnen nicht gefallen hat oder wo sie etwas anderes oder noch mehr erwartet hätten. Langweilig fand es auf jeden Fall keiner, im Gegenteil: Manchen war es zu kurz. Gibt es eine schönere Kritik von einem Kind, als dass es die Theatervorstellung zu kurz fand?

Nun fehlt nicht mehr viel bis zum Ziel. Nach unserem Testlauf treffen wir uns, um jede Szene einzeln zu besprechen und anhand unserer neu gewonnenen Erfahrungen zu bearbeiten und gegebenenfalls zu verändern. Dies tut dem Ganzen in diesem Moment mehr als gut, so bekommt das Stück noch den letzten Schliff, es wird an manchen Stellen entzerrt und das Timing verbessert, es wirkt nun aufgeräumter und ist bereit für den Besuch im Klassenzimmer.

TIPP: Im Mai spielen wir Herr A möchte singen auch im Loft! Die Termine findet Ihr in Kürze auf unserer Website.