Probenbesuch bei »Der nackte Wahnsinn«


Irgendwo zwischen komischem Wahnsinn und wahnsinniger Komik bewegt sich Der nackte Wahnsinn. Es ist Mittwoch, der 01. März 2023, 10 Uhr – endlich Bühnenluft schnuppern. Darauf freue ich mich schon die ganze Woche! Denn: Mein Besuch bei der Probe von Der nackte Wahnsinn steht an. Im Rahmen meines Praktikums im Marketing hier am Theater bekomme ich nämlich die supertolle Möglichkeit dazu. Dass ich mich dafür ausgerechnet für dieses Stück entschieden habe, ist kein Zufall. Für mich ist das nämlich mehr als nur eine kultige Komödie aus 1982, auch wenn sie das zweifellos ist. Ich verbinde diesen Titel in gewisser Hinsicht mit meiner Kindheit, da die Freilichtbühne Bellenberg, auf der ich seit meinem sechsten Lebensjahr mitwirke, dieses Stück vor ein paar Jahren ebenfalls zur Aufführung gebracht hat. Zwar habe ich selbst damals nur von der Tribüne aus zugesehen – ich war zu diesem Zeitpunkt gerade erst elf und damit zu jung, um in einer Komödie dieser Art mitzuspielen – in Erinnerung ist mir dieser Wahnsinn aber trotzdem geblieben.
Heute werfe ich also einen Blick hinter die Kulissen des Theater Bielefelds. Man könnte sogar sagen, ich werfe hinter den Kulissen einen Blick hinter die Kulissen. Bei wem diese Aussage jetzt zu Fragezeichen führt, für den habe ich eine kurze Zusammenfassung des Stücks:

Einen Tag vor der Premiere der Boulevardkomödie Nackte Tatsachen herrscht Chaos im Team. Es kommt zu technischen Problemen, zwischenmenschlichen Problemen – und ganz wichtig: Der Teller mit den Sardinen ist nie an der richtigen Stelle. Trotz Strapazen und privater Konflikte bemühen sich alle um Zusammenhalt. Das Stück soll schließlich auf Tournee gehen! Bei einer mäßig besuchten Vorstellung kommt es zu Verletzungsgefahr, verpassten Auftritten und bei der letzten Vorstellung herrscht ein wahres Durcheinander auf und hinter der Bühne. Wird es ein Happy End geben?

Wie ihr merkt, passiert in diesem Stück so einiges. Aber zurück zu meinem Probenbesuch: Voller Vorfreude und Neugier mache ich mich also auf den Weg zur Stadttheater-Bühne. Probenabläufe sind mir ja durchaus bekannt, aber wie ist das wohl bei den Profis?, geht es mir immer wieder durch den Kopf. Lachen die überhaupt? (Spoiler: Ja, tun sie). Während ich mir so meine Gedanken mache, komme ich dem Ort des Geschehens immer näher. Noch einmal tief durchatmen – dann betrete ich den Zuschauerraum. Ich setze mich in die erste Reihe. Wenn ich mir schon eine Probe anschauen darf, dann möchte ich auch möglichst nah dran sein – ist ja klar!
Nach ein paar Minuten und der vagen Vermutung, dass mich überhaupt niemand bemerkt hat, höre ich jemanden neugierig »Und du bist?« fragen. Es ist einer der Schauspieler. Schon stellen sich immer mehr Leute bei mir vor, unter anderem der Regisseur Klaus Schreiber. Alle sind sehr nett und ich fühle ich mich willkommen und aufgehoben, irgendwie fühlt es sich vertraut an. Ein Spruch hier, ein Spruch da, mancherorts wirft sich noch schnell jemand in sein Probenkostüm. Es ist fast so, als hätte das Stück bereits angefangen, denke ich mir. Nachdem dann die letzten Anmerkungen und Fragen geklärt sind, scheint die Probe endlich anzufangen. Naja, scheint. Bis der erste Durchlauf tatsächlich beginnt, hat Klaus Schreiber bestimmt dreimal »Wir fangen jetzt an!« gerufen. Auch das ist mir sympathisch, kommt es mir doch sehr bekannt vor.

Und dann geht’s wirklich los: Die Darsteller*innen gehen auf ihre Positionen, heute wird der zweite Akt geprobt. Hier geht es besonders flott drunter und drüber: Da fliegen Kakteen quer über die Bühne, Hosen verlassen ihre Besitzer*innen, es wird mit Wärmflaschen gewedelt. Und bis auf ein, zwei Texthänger und kleine Unterbrechungen läuft die Probe ziemlich flüssig. Obwohl dabei einige Textpassagen und Abläufe wieder in meinen Synapsen aufploppen, hatte ich doch ganz vergessen, wie viel auf einer Bühne gleichzeitig passieren kann. Deshalb bin ich auch ganz froh, dass der zweite Akt insgesamt zweimal geprobt wird, so habe ich die Möglichkeit, möglichst viele Details aufzuschnappen. Hat der das eben auch schon gemacht? – diese Frage stelle ich mir während des zweiten Durchgangs nicht nur einmal.
Während in diesem Akt die Aufführung von »Nackte Tatsachen« auf der Bühne quasi hinter der Bühne stattfindet und für die Zuschauer*innen nur durch ein kleines Fenster beobachtbar ist, werden dem einen unwissentlich die Schuhe zugebunden, verliert die andere ihre Kontaktlinsen – ein Drama hier, ein Drama dort. Ich bin mir sicher, mir wären selbst beim dritten Anschauen noch neue Situationen aufgefallen. Immer wieder ist jemand kurz davor, seinen Auftritt zu verpassen. Manchmal kann ich kaum unterscheiden, ob es sich um einen gespielten oder einen tatsächlichen Patzer handelt. Das macht die Probe für mich besonders spannend und das ist es auch, was mich schon damals an dem Stück so begeistert hat.


Der nackte Wahnsinn
zeigt ein Paradebeispiel dafür, dass im Theater nicht immer alles glatt läuft. Dafür ist es eben Theater. Im vorwiegend stummen Spiel »hinter der Bühne« beweisen die Schauspieler*innen dabei nicht nur ihr Talent, sondern liefern auch eine große Portion Spielfreude. Die lässt sich jetzt schon aus dem Zuschauerraum spüren. Mehr möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht vorwegnehmen und empfehle einfach allen selbst vorbeizukommen, die ihre Lachmuskeln mal wieder trainieren wollen.

Mein Fazit: Ich habe mit dem zweiten Akt einen Blick hinter die Kulissen hinter den Kulissen geworfen. Dabei ist Der nackte Wahnsinn genau das: Ein Stück von einer anderen Seite. Denn auch wenn ich bisher nur einen Ausschnitt gesehen habe, kann ich jetzt schon sagen: Das wird der Wahnsinn!