Probenbesuch »Extrem laut und unglaublich nah«

 

 Von links: Anya Masson, Brit Dehler, Tom Scherer, Doreen Nixdorf

Der 03. Februar 2022, ein Donnerstag.


An dem Tag habe ich die unglaubliche Möglichkeit bekommen, bei einer Probe des Schauspielstücks »Extrem Laut und Unglaublich Nah« dabei zu sein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine wirklichen Berührungspunkte mit Theater. Als Kind habe ich vielleicht schon mal ein, zwei Kinderaufführungen gesehen, doch das liegt auch schon ein paar Jahre zurück. Ich war absolut gespannt, was mich erwarten würde, da ich keinerlei Vorstellungen davon hatte, wie so eine Probe ablaufen könnte.

Natürlich hatte ich mich im Vorfeld über das Stück erkundigt. Es geht um einen neunjährigen Jungen namens Oskar, gespielt von Tom Scherer. Der ist mitten in seiner Trauer um seinen Vater, welcher am 11. September 2001 ums Leben gekommen ist. Trotz allem begibt sich der junge Oskar auf die Spurensuche, um das mysteriöse Geheimnis des hinterlassenen Schlüssels seines Vaters zu lüften. Für mich ist es schwer, mir so eine Geschichte auf der Bühne vorzustellen. Doch genau das macht es für mich noch spannender, einen Einblick in die Theaterwelt und hinter die Kulissen zu bekommen.

Einmal durchatmen, alle Gedanken und Vorstellungen beiseite packen und im Hier und Jetzt sein. Das ist mir durch den Kopf gegangen, als ich vor den Türen des Besucherraumes stand. Um komplett frei in diese Probe zu gehen, um alles so, wie es ist, auf mich wirken zu lassen. Und dann saß ich da. Ganz hinten, ganz still. Ich schaute mich um und ließ den Saal und die Bühne auf mich wirken. Alles war so groß und doch ein bisschen leer.
Wie es wohl wirken muss, wenn der Saal voll mit Publikum und die Bühne komplett hergerichtet ist?
Die Probe hatte zwar noch nicht angefangen, aber es liefen schon Schauspieler*innen über die Bühne. Einer saß am Klavier, spielte und sang vor sich hin. Dadurch nahm ich die Akustik im Saal das erste Mal wahr.
Nach einigen Minuten fingen sie an zu proben. Für mich war es natürlich mitten im Stück und trotzdem war ich direkt drin. Mich hat es direkt gepackt, was dort auf der Bühne vor sich ging. Natürlich wurde immer wieder mal unterbrochen, um einzelne Ausschnitte zu besprechen, die enthaltenen Emotionen zu vertiefen, um sie deutlicher zu machen. Um Vorschläge einfließen zu lassen, um Ideen auszuprobieren und zu integrieren, sei es von der Regie, die geleitet wird von Cilli Drexel, oder von den Schauspieler*innen. Auch die Körpersprache und Haltung wird hier und da ausgebessert und besprochen, ebenso wo man am besten steht, sitzt oder sich bewegt. Wann die Requisiten auf die Bühne kommen und wann sie die Bühne wieder verlassen. Übergänge werden geprobt, bis es fließend zwischen Schauspiel, Musik und Kulisse ist. Damit alles im Einklang ist und ein fließendes Bild entsteht.
Emotionen flogen durch den Raum, ausgehend von der Regie, eingefangen von den Schauspieler*innen und abgegeben direkt an mich. Ich war total gefesselt von dem, was ich dort sah. In einem Moment war ich emotional so gefasst, weil ich die Szene so mitfühlen konnte und im nächsten Moment musste ich lachen, weil etwas so Unvorhersehbares passierte. Es war zwar am Ende nur ein sehr kleiner Teil, den ich vom ganzen Stück gesehen habe. Doch da wird einem auch ganz schnell bewusst, wie intensiv geprobt werden muss, bis alles so funktioniert, wie es soll.

Ich finde es unglaublich faszinierend, wie stark Emotionen übertragbar sind, von den Schauspieler*innen zum Publikum. So ein großes Übertragen der Emotionalität kenne ich nicht vom Fernsehbildschirm zuhause. Den Menschen direkt vor sich zu haben, ist etwas ganz Anderes und macht das Erlebnis und die Emotionen viel intensiver. Dieser Probenbesuch hat definitiv großes Interesse aufs Theater in mir geweckt und ich freue mich darauf, mir dieses Stück im Ganzen anzuschauen und die komplette Geschichte des jungen Oskars zu erleben.
Zudem habe ich gelernt, dass viele Klischees nicht so sind, wie sie an mich herangetragen worden sind. Theater ist nicht nur was für die ältere Generation, mit schickem Anzug und Abendkleid. Ganz im Gegenteil, diese einzigartige eigene Welt ist für jeden etwas, für Jung und Alt. Man muss sich einfach nur trauen, etwas ganz Neues und eventuell Fremdes auszuprobieren, um so dann eine neue Faszination zu entdecken.

Ich bedanke mich bei der Dramaturgin Katrin Enders für diese Möglichkeit und somit für die Eindrücke, die ich durch diesen Probenbesuch erleben durfte.

 

Geschrieben von Vanessa Proske